Selbstfesselung der etwas anderen Art und Westschweizer Leichtigkeit

Nach einer Trainingswoche im Zeichen der langen Ausfahrten hängte ich zum Abschluss das Trainingsrennen Roc du Littoral in Hauterive (NE) an. In Begleitung von Carmen Bucher packten wir am Sonntagmorgen unsere Bikes neben 200 anderen Rädern in den Zug und fuhren gemütlich gen Romandie. Ohne Ortskenntnisse machten wir uns auf die Suche nach dem Centre Sportif und wurden fündig. Etwas komisch fanden wir, dass ausschliesslich Fussballer auf dem Rasen ein Match austrugen unter den Augen der lokalen Zuschauer. Nachdem wir nicht einmal ein Einrad ausmachen konnten, waren wir doch ziemlich sicher 45 Minuten vor dem Start am falschen Ort zu stehen. Nach kurzer Recherche fanden wir ein weiteres Sportzentrum, von denen kann es ja nie genug geben. Lediglich 2 Kilometer entfernt, abgelegen mitten in den Weinreben. Wir versuchten erneut unser Glück. 30 Minuten vor dem Startschuss fanden wir tatsächlich eine beträchtliche Horde Menschen auf 2 Rädern und fühlten uns gleich wieder heimischer.

Das Einfahren liessen wir gleich sein. Die Sportzentrumssuche und die ersten 3 Rennkilometer mussten hierfür hinhalten, die Toilettenpause und der soziale Austausch waren gerade wichtiger. Während Carmen auf der Startlinie zur Musik aus dem Lautsprecher aus vollem Hals „You’re the one I want“ aus dem Musical Grease mit passender Tanzeinlage im Raddress vollführte, kam in mir nicht gerade der Killermodus auf. Der Start war wie gewohnt schnell und hektisch, geprägt vom Positionenkampf mit dem Messer zwischen den Zähnen. Ich liess mich etwas zurück fallen da mein Körper nach wie vor noch nicht so begeistert ist von den hohen Pulsbereichen. Carmen passierte mich mit einem „nervöse Sache hier“ und ich verlor die Spitzengruppe aus den Augen. Einsam strampelte ich die Kilometer auf dieser wunderbaren 24 Kilometer langen Trailrunde des Neuenburger Juras ab, immer gespannt, was nach der nächsten Kurve für eine Überraschung wartete. In einer der unzähligen Rampen krampfte ich mich demütig über den Lenker gebeugt hoch, den Blick nur kurz hebend um zu sehen, wo es danach weiter ging. 3 Leute standen am obersten Punkt und feuerten mich an als ich energisch rechts abbog. Das Stoppen des Klatschens war der erste Hinweis, dass etwas nicht stimmte. Die verwirrten Blicke der Zuschauer der zweite – das hell leuchtende weiss-rote Absperrband, welches sich um mein Gesicht wickelte schliesslich die Auflösung ihres abrupt endenden Szeneapplauses. Vielleicht war es doch eher eine Linkskurve. Völlig Herrin der Situation entwickelte ich mich aus dieser kaum noch auffälliger anzubringenden Wegweisung und war dankbar, dass mich einer der netten Spektakelsuchenden anschob, da ich vor lauter Lachen kaum mehr in die Pedale kam.

Nach dieser brenzligen Situation stand den weiteren Rennkilometern nichts mehr im Weg. Nach knapp 80 Minuten konnte ich im Ziel meinen Achten Rang an der Sonne gemeinsam mit Carmen und einer riesigen Portion Risotto geniessen. Mit einem guten Gefühl und um wertvolle Eindrücke reicher, traten wir unsere Heimfahrt per Zug, mit einem Glacé in den Händen, an. Für das nächste Rennen kommenden Samstag in Solothurn bin ich bereit…dann wieder mit Einfahren und geografischer Sicherheit.

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Mental Tuning, Höllenjacuzzi und Nebenschauplätze

Seit nunmehr 2 Wochen wird mein nicht mehr ganz so stählerner Körper wieder mit Proteinen versorgt und nähert sich konstant wieder dem SOLL-Wert. Ein lange nicht mehr da gewesenes Lebensgefühl wenn man morgens nicht mehr den Eindruck hat, ein 20-Tonnen-Laster wäre über mich gefahren sondern hätte gleich auf mir geparkt. Dank dem mentalen Tuning im Vorfeld ging ich ziemlich entspannt und ohne Druck oder Erwartungen und nur der Freude wegen am Sonntag in Schaan (Lichtenstein) mit 23 weiteren Athletinnen an den Start des zweiten Proffix Rennens. Mit dabei wie so oft die Topfavoritinnen Alessandra Keller, Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand, welche gleich in dieser Reihenfolge das Rennen prägten und abschlossen. Wie bereits im Vorfeld absehbar, fuhren diese vier in einer anderen Liga und zeigten den Anwesenden auf, wie richtig schnelles Biken aussieht.

Bereits auf der Startlinie, an brütender Frühlingssonne, welche wir aufgrund von Programmverzögerungen noch etwas länger geniessen durften, fühlte ich mich wie im persönlichen Vorhöllenjacuzzi und wartete gespannt auf das Startsignal. Nach dem Knall stiegen alle in die Pedale und sprinteten los als würde es am Ende des Hügels gratis Wasserglacés und Helmventilatoren geben. Diese Möglichkeit wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und gab mein Bestes in diesem ersten Anstieg mitzuziehen. Zu meiner Überraschung konnte ich mich tatsächlich im hinteren Teil des Feldes halten und in meinem eigenen Rhythmus die Höhenmeter bewältigen. Nach der ersten schnellen und verwinkelten Abfahrt hatte mein Organismus die Wärme satt und zeigte mir dies auch in regelmässigen Abständen zur Auflockerung der Stimmung an. So wurde mir nie langweilig und ich hatte meinen Spass auf den für mich 5 zu absolvierenden Runden. Nach zwei Runden hatte ich für meine Bedürfnisse absolut genug Spass genossen aber was ist schon ein Rennen ohne Rücken- und Beinschmerzen begleitet von leichten Flüchen. Zudem sass in einer Kurve des Hauptanstieges ein frisch verliebtes Teeniepaar welches auch bei dieser Hitze die Finger nicht voneinander lassen konnte (das ist noch wahre Liebe) und dem Dauerkuscheln verfallen war. Ich wollte wissen wie die Geschichte weitergeht und ob sie tatsächlich die ganzen 90 Minuten weiter so zusammenwachsen würden. Dies war neben der unterhaltsamen Strecke ein Grund sich jedes Mal wieder den Hügel hoch zu kämpfen (und ja, nach 90 Minuten hatte sich der Status nicht wesentlich geändert und ich wette, die zwei Turteltauben haben auch das Männer-Rennen so durchgezogen). Und wenn es nicht zu regnen begonnen hat oder ihre Eltern sie eingesammelt haben, so sitzen sie noch heute dort.

Mein Rennfazit in dieser Wiederaufbau-Periode: ich war langsam. Aber stets positiv eingestellt, war technisch gut unterwegs, hatte ziemlich Spass und freue mich auf die weitere Entwicklung in den nächsten Rennen… Wer weiss schon wo mich diese Reise noch hinführt.

Der proteinlose Körper oder errare humanum est

Milch enthält Hormone, Eier sind übermässige Proteinbomben, Geflügel ersetzt die Antibiotikakur, Fisch sind schwimmende Schwermetalltanks und für die Produktion von Fleisch braucht man Ressourcen von unzähligen Welten. Nach zahlreichen Studien und Berichten, die genau dies aufzeigten, entschied ich mich den Weltuntergang im Alleingang zu verhindern und auf all diese Produkte beinahe gänzlich zu verzichten. Mein Körper fand dies nicht ganz so tutti frutti und sendete mir einige Warnsignale, welche ich aber in meiner Überzeugung etwas Gutes zu tun für die Umwelt und für mich, mit beeindruckender Hartnäckigkeit ignorierte. Mein Trainer merkte bereits früh, dass etwas nicht stimmte, denn laut absolviertem Training im physischen und psychischen Bereich hätte ich diese Saison richtig losziehen sollen. Da ihm die Info über mein Proteinboykott fehlte, war sogar er das erste Mal seit ich ihn kenne ratlos und schickte mich in eine ärztliche Abklärung. Ein kompletter Check aller sportrelevanten Parameter brachte wichtige Erkenntnisse. Die erste Erkenntnis: ich absolviere offenbar gerne Umwege und lasse wirklich keinen einzigen aus. Die zweite Erkenntnis: ich schaff es sogar langjährige Sportmediziner zu überraschen und zwar mit der dritten Erkenntnis: es ist tatsächlich möglich zu wenig Cholesterin zu haben. Das über längere Zeit hin fehlende Eiweiss hat zu einem kompletten Shutdown der Muskulatur geführt. BRAVO. Die Folgen lassen sich erahnen. Ständige Schmerzen der Muskulatur, Erschöpfung und eine Leistungsgrenze bei einem Puls von süssen 170 Schlägen in der Minute um nur einige Zückerchen des Spasses zu nennen. Mein Trainer hat für meinen aktuellen Zustand eine Metapher verwendet, welche ich wohl nie mehr vergessen werde (ein klassischer Schütz): „Dein Körper ist zu vergleichen wie 10 Gebäude nebeneinander mit vielen Labors auf jedem einzelnen Stock. Deine Umstellung der Ernährung hat dazu geführt, dass man ein Gebäude angezündet und bei den anderen jeden zweiten Stock rausgesprengt hat“.

Nachdem mein Ärger über mich selbst etwas verflogen war, haben wir einen neuen Master-Schlachtplan erstellt. Meinem Organismus werden wieder Proteine persönlich vorgestellt, das Training noch etwas sachte angegangen bis alle Speicher wieder voll sind und mein Körper aus der Schockstarre gefunden hat. Danach hau ich richtig auf den Putz und tu das, was ich am liebsten mache, es auf 2 Rädern richtig krachen lassen.