Puuuuh….!

Nach einer 5-wöchigen Rennpause ging es mit vielen gesammelten Kilometern in den Beinen vom 2.-4. August für einen 3-tägigen Wettkampf in das österreichische Ischgl um den aktuellen Formstand zu testen.

Die erste von drei Etappe startete am Donnerstag um 21 Uhr und führte bei Flutlicht von Ischgl über 7 Kilometer und 1000 Höhenmeter hoch in die Idalpe. Bereits bei der Startaufstellung konnte ich den Preis zur „Schälle des Tages“ an einen sogenannten Sportfahrer vergeben. Während die Frauen Elite hinter den Elite Männern ihre Startplätze bezogen, wurden hinter uns die Sportfahrer aufgereiht. Nur schon die Anmassung, dass man Hobbyfahrer hinter den Frauen aufreiht schien in seinem Universum ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, versuchte er doch sogleich, sich an den Elitefahrerinnen vorbei zu drängeln um mit seinesgleichen loskeuchen zu können. Ein aufmerksamer Offizieller pfiff den Hochwohlgeborenen sogleich zurück und als dieser erfuhr, dass er nicht nur hinter uns, sondern erst mit „einer Minute Rückstand auf die Weiber??!“ prachtvoll über die Strecke gleiten durfte, vernahm ich für die letzten 2 Minuten vor dem Startsignal nur noch sein Gefluche im Nacken. Meine Empfehlung an dieser Stelle: lös doch einfach eine Lizenz du Flachwasserknallfrosch, hör auf zu heulen und nerv uns nicht! Der herbeigesehnte Startschuss kam und die Spitzenfahrerinnen legten gleich los als gäbe es kein Morgen mehr. Ich hatte immer noch nicht ganz verdaut, dass ich jetzt „nur“ hochfahren sollte ohne jeglichen Abfahrtsmeter und ging das Ganze sehr kontrolliert zuhinterst im Feld an. In der Mittelstation, nach einer unglaublichen Fahrzeit von ca. 20 Minuten gaben bereits diverse Fahrer ihr Nachtessen der Umwelt geräuschvoll zurück. Das nenn ich effiziente Selbstzerstörung. Ich pedalte in meinem Tempo weiter und holte langsam Fahrerin um Fahrerin ein. Zufrieden erreichte ich nach 56 Minuten als 11 Platzierte meiner Kategorie das Ziel, packte mich warm ein und setzte mich in die Gondel für den Rückweg…eine verkehrte Welt, selbst mein Rad war völlig verwirrt ab dem ausbleibenden Downhill.

13 Stunden vor dem Start zum Marathon am Samstagmorgen, fand am Freitag um 19 Uhr das Shortrace über 9 Rennkilometer und 300 Höhenmeter statt. Das einzige technische Highlight, 2 wahnsinns Kieskurven, liessen mein Herz nicht gerade höherschlagen. Die Taktik war klar: irgendwie das Rennen durchbringen ohne wirklich Kraft zu verschiessen so kurz vor dem grössten Brocken. Wieder wurde von Beginn her richtig Tempo gebolzt. Für 200 Meter setzte ich mich in der Spitzengruppe fest…danach war der Spass vorbei und ich konnte/wollte das Tempo nicht mitgehen. Für einen kurzen Moment schloss ich mich mit einer Mitstreiterin zusammen, als diese sich aber in einer der beiden Kieskurven beinahe vor mich hinlegte – Spektakel sei schliesslich alles – hielt ich Sicherheitsabstand. Enttäuscht über diesen 13. Zwischenrang machten wir uns auf zu einem späten Nachtessen um während einer kurzen Nacht wieder Kräfte tanken zu können.

Der abschliessende Marathon hatte es in sich. Auf uns warteten 3700 Höhenmeter verteilt auf 75 Kilometer. Wieder wurde das Rennen schnell angegangen obwohl die Beine nicht mehr so rund liefen. Ich wollte auf den ersten 30 Kilometer ein bedächtiges Tempo angehen, folgten doch danach 2700 Höhenmeter auf lediglich 45 Kilometern, was definitiv nichts mit gemütlicher Kaffefahrt zu tun hat. Auf diesen 30 schnellen Anfangskilometern machte ich wieder einmal die Bekanntschaft mit der Spezies „übermotivierter Einzeller auf 2 Rädern“. Während ich konzentriert und völlig im Frieden mit mir selbst durch die Weltgeschichte dahinschoss (wenn schon einmal eine Abfahrt ansteht), näherte sich von hinten das Chaosschwadron Hintertupfigen. Hier ging es offenbar um den Weltmeistertitel der Ränge 458 und 465. An dieser Stelle eine weitere Bemerkung einer doch eher erfahrenen Rennfahrerin: FRAUEN KÖNNEN SEHR SCHNELL BERGAB FAHREN, INSBESONDERE WENN KEINE SENILEN BARTGEIER IM WEG STEHEN! Nachdem mich 2 dieser Einzeller aufgrund ihrer genialen und vorhersehbaren Kurventechnik beinahe ins Unterholz befördert und aufs herrlichste beschimpft hatten, wie gesagt es ging um den Weltmeistertitel, zogen sie von dannen (Anmerkung der Redaktion: sie beendeten das Rennen nach 28 Kilometern). Weit hinten im Elitefeld nahm ich die zweite Streckenhälfte in Angriff und begann mit dem Einholen meiner Konkurrentinnen. Die erste Steigung nahm kein Ende und machte auch keine Anstalten etwas flacher zu werden. Auf knapp 2700 Meter wurde die Luft langsam dünn, meine roten Blutkörperchen vollführten einen Hula hoop-Wettbewerb und um mich herum verkam das Ganze zu einem Wanderevent. Mein Held des Tages war der „Siebensiech“ welcher die Abkürzung des Jahrhunderts fand. Während wir uns alle an den Wegverlauf einer weitgreifenden Kurve hielten, wählte er den Trampelpfad, welcher mit einer Steigung von geschätzten 35 Prozent gerade hoch führte. Auf dem Weg gebar er wahrscheinlich seinen Darm weil er so in die Pedalen steigen musste um hoch zu kommen, ABER: Abkürzung gesucht – und gefunden! Einer der wandernden Rennfahrer vor mir beschloss kurzfristig einen Anruf zu tätigen. Mein holländisch ist zu schlecht und mein Blut war zu weit von meinem Hirn entfernt um erörtern zu können, ob er seiner Mutter anrief um mentalen Zuspruch zu erhalten oder spontan noch ein Aktientransfer vollführt werden musste.

Nach der ersten Tortur folgte eine anspruchsvolle und unterhaltsame Abfahrt, in welcher sich bereits nach 2 Kilometern mein Bidon verabschiedete, aber wer braucht bei 35 Grad schon Wasser. Mit neuer Verpflegung nahm ich den zweiten grossen Anstieg ab Samnaun her in Angriff. Während über mir dutzende Endurofahrer in den Gondeln den Weg bestritten, wollte ich mich inzwischen nur noch in Fötusstellung auf den Boden legen und meinen schmerzenden Beinen Folge leisten. Umdrehung für Umdrehung kämpfte ich mich auf den höchsten Punkt der Strecke hoch, um nach einer kürzeren Abfahrt nochmals einige Kilometer hochgejagt zu werden. Ich verfluchte zum x-ten Mal die Streckenplaner und mich selbst für diesen Höllenritt und nahm nach einer intensivst, gefühlten Ewigkeit die letzte Abfahrt unter die Räder. Geschont wurden wir auch hier nicht. Nach den technischen Passagen folgten für den grossen Spass zum Abschluss noch 10 Minuten Presslufthammer-Feeling, bevor ich nach 6 Stunden 19 abgekämpft auf dem 8 Schlussrang das Ziel erreichte. Dies entsprach ebenfalls dem 8. Gesamtrang in diesem internationalen Feld und weitere Erfahrungen im Marathonbereich.

Ready to rumble kommenden Sonntag in Grindelwald am Eigerbike Marathon.

 

 

Von „sone Mist!“ bis „wie bini uf die Idee cho?!“

In den letzten 2 Wochen fanden 2 Wettkämpfe statt. Sonntag vor einer Woche stand ich in Gränichen (AG) am Start für das Cross Country Rennen, überzeugt davon, dass ich an diesem Tag endlich richtig loslegen würde. Ich hatte schliesslich während 4 Wochen richtig gut trainiert, riesige Fortschritte gemacht und fühlte mich jeder Herausforderung gewachsen. Zudem hatte mein Körper nun 2 Monate Zeit gehabt, sich von dem proteinlos-Schöckchen zu erholen, das musste reichen. Schliesslich bin ich eine „Siebesiechin“. Ich stellte mich wie gewohnt in den hintersten Reihen an die Startlinie und hätte ab diesem Moment bereits wieder umkehren können. Was ab da passierte, war das Muster, welches ich seit 1.5 Jahren leider zu gut kannte und sich in meine Hirnwindungen eingebrannt hatte. Startschuss, Sprint in den langen Starthang und ich konnte mich damit beschäftigen, von allen Fahrerinnen die Rückenansicht der Trikots auswendig zu lernen. In der ersten Abfahrt hatte ich noch etwas ausgiebiger Zeit für das Trikotstudium, da in den hinteren Plätzen zwecks Auskostung jedes Trailmeters mit gefühlten 5 Stundenkilometer bergab geholpert wurde und ein Überholen schlicht unmöglich war. Bergauf find ich Langsamfahren mehr als völlig ok, bergab grenzt dies an ein Verbrechen, besonders wenn die Strecke grundsätzlich einen grossen Spassfaktor hergab. Ich nutzte die wenigen breiten Passagen um mich in der ersten Runde nach vorne zu arbeiten, kam aber nicht weit, da mein Motor leider nicht in dem Masse lief, in welchem ich mir das vorstellte. Da ich ansonsten nicht viel zu tun hatte, bekam ich nach 20 Minuten Hunger und überlegte mir, was für mich kulinarisch heute noch anstehen würde. Wütend auf mich, gefrustet und nicht mehr ganz so hungrig, stieg ich nach knapp 2 Runden aus dem Rennen aus und hinterfragte ziemlich alles was mir über den Weg lief. Die Pommes halfen leider ebenfalls keinen Meter weiter. Was tun?

Kurzfristige Lösung à la Céline: das Le Raid Evolénard (VS) oder in anderen Worten ausgedrückt: wie schaff ich es in wenigen Stunden, dass mir sogar die Haare schmerzen. Der Bikemarathon in Evolène war eine nette Runde von 62 Kilometern und 3000 Höhenmeter in den Walliser Bergen. Sonntagmorgen pünktlich um 9 Uhr wurden die lizenzierten Marathonfahrerinnen gemeinsam mit mir als Feriengast auf die Strecke geschickt. Motiviert pedalierte ich in den ersten Berg, planlos was Streckenführung und Tempo betraf. Ich klemmte mich an das Hinterrad der Belgischen Meisterin, da mir das Trikot gefiel (ich bin hier ja spezialisiert), musste aber nach der Hälfte dieses ersten Anstieges einsehen, dass ihr Tempo etwas optimistisch war für mich. Nach dem ersten „Bergpreis“ warf ich die grossen Gänge ein, senkte mein Sattel auf das Minimum, beugte mich voller Vorfreude auf die Abfahrt in Angriffsstellung tief über den Lenker…und begann den Trail hinunter zu laufen. Die fröhlichen Velowanderer vor mir verhinderten ein Fahren und so reihte ich mich fluchend brav in die Wanderschlange ein. Sobald der Weg etwas breiter wurde, powerte ich los und machte mich an das Überholen der wandelnden Bremsklötze. Erfahrene Marathonfahrerinnen bemerken hier bereits den ersten Fehler. Motiviert wie ich war, verschoss ich meine Körner gleich im Dutzend. Das sollte sich später noch rächen. Die 2 der 4 langen Anstiege brachte ich ebenfalls gut hinter mich, wenn man von meiner kleinen Flickaktion absah, welche ich einlegen musste, da mein Rad beschlossen hatte auseinander zu fallen. Solche Details brachten mich nicht aus dem Gleichgewicht, auch wenn alle zuvor mühsam überholten Teilnehmenden wieder an mir vorbeizogen. Mit wieder angezogenen Schrauben und deutlich weniger schwammigem Fahrgefühl flog ich die zweite Abfahrt hinunter ins Zielgelände um die zweite Etappe in Angriff zu nehmen. Die Hälfte war geschafft und ich eigentlich mehr als bedient mit dem absolvierten Programm. Glücklicherweise wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was gleich auf mich zukommen würde für die nächsten 2 Stunden. Es wurde steil! Und nicht das „puh, jetzt muss ich runter schalten“-steil sondern das „verdammt, wer pflanzt hier noch einen Weg hin und warum habe ich nicht mehr Gänge“-steil. An Fluchen war nicht mehr zu denken, dafür fehlte mir schlicht der Sauerstoff. Es nahm kein Ende. Ich passierte immer mehr Fahrer, welche vor lauter Krämpfe oder aus purer Erschöpfung am Rand standen oder nur noch zu Fuss unterwegs waren. Ich konnte ihnen nachfühlen, kämpfte mich aber in konstantem Tempo immer weiter hoch. Die letzte Abfahrt von 2`500 M.ü.M. hinunter ins Ziel machte nochmals richtig Spass, konnte aber nur noch halbherzig genossen werden, da neben den Beinen auch der Rücken, die Arme, die Hände und ziemlich sicher auch die Augen schmerzten. Nach 5 Stunden überquerte ich komplett ausgepowert, dreckig und zufrieden mit mir und der Welt die Ziellinie in Les Haudères. Marathon und ich sind nach wie vor keine Freunde, aber meine Zukunft ist offen. Wer weiss in welcher Disziplin ich lande.

Für`s erste gebe ich meinem Körper vielleicht doch etwas mehr Zeit für die Genesung von meinem kulinarischen Ausflug, werde in 2 Wochen einen weiteren Marathon in Angriff nehmen und weiter an meinen physischen und mentalen Fähigkeiten arbeiten.

 

Mental Tuning, Höllenjacuzzi und Nebenschauplätze

Seit nunmehr 2 Wochen wird mein nicht mehr ganz so stählerner Körper wieder mit Proteinen versorgt und nähert sich konstant wieder dem SOLL-Wert. Ein lange nicht mehr da gewesenes Lebensgefühl wenn man morgens nicht mehr den Eindruck hat, ein 20-Tonnen-Laster wäre über mich gefahren sondern hätte gleich auf mir geparkt. Dank dem mentalen Tuning im Vorfeld ging ich ziemlich entspannt und ohne Druck oder Erwartungen und nur der Freude wegen am Sonntag in Schaan (Lichtenstein) mit 23 weiteren Athletinnen an den Start des zweiten Proffix Rennens. Mit dabei wie so oft die Topfavoritinnen Alessandra Keller, Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand, welche gleich in dieser Reihenfolge das Rennen prägten und abschlossen. Wie bereits im Vorfeld absehbar, fuhren diese vier in einer anderen Liga und zeigten den Anwesenden auf, wie richtig schnelles Biken aussieht.

Bereits auf der Startlinie, an brütender Frühlingssonne, welche wir aufgrund von Programmverzögerungen noch etwas länger geniessen durften, fühlte ich mich wie im persönlichen Vorhöllenjacuzzi und wartete gespannt auf das Startsignal. Nach dem Knall stiegen alle in die Pedale und sprinteten los als würde es am Ende des Hügels gratis Wasserglacés und Helmventilatoren geben. Diese Möglichkeit wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und gab mein Bestes in diesem ersten Anstieg mitzuziehen. Zu meiner Überraschung konnte ich mich tatsächlich im hinteren Teil des Feldes halten und in meinem eigenen Rhythmus die Höhenmeter bewältigen. Nach der ersten schnellen und verwinkelten Abfahrt hatte mein Organismus die Wärme satt und zeigte mir dies auch in regelmässigen Abständen zur Auflockerung der Stimmung an. So wurde mir nie langweilig und ich hatte meinen Spass auf den für mich 5 zu absolvierenden Runden. Nach zwei Runden hatte ich für meine Bedürfnisse absolut genug Spass genossen aber was ist schon ein Rennen ohne Rücken- und Beinschmerzen begleitet von leichten Flüchen. Zudem sass in einer Kurve des Hauptanstieges ein frisch verliebtes Teeniepaar welches auch bei dieser Hitze die Finger nicht voneinander lassen konnte (das ist noch wahre Liebe) und dem Dauerkuscheln verfallen war. Ich wollte wissen wie die Geschichte weitergeht und ob sie tatsächlich die ganzen 90 Minuten weiter so zusammenwachsen würden. Dies war neben der unterhaltsamen Strecke ein Grund sich jedes Mal wieder den Hügel hoch zu kämpfen (und ja, nach 90 Minuten hatte sich der Status nicht wesentlich geändert und ich wette, die zwei Turteltauben haben auch das Männer-Rennen so durchgezogen). Und wenn es nicht zu regnen begonnen hat oder ihre Eltern sie eingesammelt haben, so sitzen sie noch heute dort.

Mein Rennfazit in dieser Wiederaufbau-Periode: ich war langsam. Aber stets positiv eingestellt, war technisch gut unterwegs, hatte ziemlich Spass und freue mich auf die weitere Entwicklung in den nächsten Rennen… Wer weiss schon wo mich diese Reise noch hinführt.

Wie die Zeit vergeht

Gerade einmal zu neunt standen wir am Sonntag auf der Startlinie in Hägglingen um uns über sechs Runden zu messen. Mit dem Wissen, dass ich die restlichen Fahrerinnen altersmässig um zehn bis elf Lenze übertrumpfte, liessen nicht gerade das Körpergefühl eines jungen, über die Wiese hüpfenden Rehs, in mir aufkommen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken des grossen Erfahrungsvorsprungs, welchen ich sogleich in der Startschlaufe wirken liess. Wie zu erwarten übernahm Nadia Grod das Tempodiktat während ich die Juniorinnen an mir vorbeiziehen liess, mein Tempo fuhr und mich nach kleinen Positionskämpfen an sechster Stelle einreihte. Normalerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt eine kleine Sinnkrise mit der Auswirkung einer Meteoritenkollision gehabt und mich mit der Absetzung per Kamel in die Wüste Gobi beschäftigt. Da diese Chinesische Mauer alias mentale Hemmniss nun aber endgültig weggebaggert wurde, nahm ich nun die vier Fahrerinnen vor mir ins Visier und trat in die Pedale. Mit der Gelassenheit und Erfahrung welche Gandalf dem Grauen Konkurrenz gemacht hätte, war ich nach meinen Beobachtungen ziemlich sicher, dass das angeschlagene Tempo der Juniorinnen nicht über die gesamte Renndistanz so durchgezogen werden konnte. Bereits auf Runde eins holte ich die erste Fahrerin ein, pushte den vermaledeiten Kiesaufstieg hinauf, den Blick auf die vor mir fahrende Dreiergruppe. Ein besonders engagierter und kreativer Unterstützer stand in besagtem Aufstieg, schrie sich die Seele aus dem Leib und dröhnte mit seiner mitgebrachten Motorsäge was das Zeug hielt. Was in der Kreativität leider unterging war, dass wir mit komplett offenen Bronchien diesen Mount Everest würdigen Hügel hochächzten und die Organisatoren von Bikerennen seit Jahren auf elektrische Motorräder als Spitzenfahrzeuge setzen um die Lungen der Athletinnen und Athleten nicht zu verpesten…merkt jemand das Problem? Bewundernswerter Einsatz, danke, mit leichtem Problemfaktor für die Lungenliga.

Nichtsdestotrotz hielt ich mein Tempo konstant hoch, kämpfte (inzwischen stand die Motorsäge zum Glück in der Abfahrt da mir im Sprint um Rang zwei die Lunge beinahe aufs Vorderrad hing) und musste mich am Schluss nur von der souverän fahrenden Nadia geschlagen geben. Ein Hoch auf meinen konstanten Dieselmotor.

 

Ça roule

An den vergangenen zwei Wochenenden absolvierte ich zwei Rennen. Erst das Argovia Cup in Langendorf, danach das hochklassige Proffix Swiss Bike Cup Rennen in Basel. Dazwischen wurde nochmals ein wichtiger Block „Kopfarbeit“ eingeschoben um endlich meine Blockade, an die ich mich zwar gewöhnt, aber dennoch eine sehr lästige Untermieterin darstellt, loszuwerden.

In Langendorf standen klingende Namen wie Irina Kalentjeva oder Lisi Osl am Start – war ja schliesslich auch ein Argovia Cup – was ich jedoch in Profimanier auszublenden vermochte. Bestand doch mein Ziel einzig und allein darin, das Durchziehen der ganzen Renndistanz in meinem Tempo. Mein Tempo unterschied sich ein klein wenig von der Spitze, war in meinen Augen dennoch beachtlich und wurde nur durch drei Stürze gepaart mit zweifachem Kette wieder einlegen gebremst. Trotz gelegentlicher unfreiwilliger Boxenstopps beendete ich in diese doch eher lerngeprägte Aufbausaison mein zweites Rennen über die gesamte Renndistanz.

Motiviert von dem Geschafften stand ich vergangenen Sonntag in Basel neben einer Auswahl der weltbesten Fahrerinnen (wieder einmal!) an der Startlinie. Nach einem verhaltenen Start steigerte ich mich von Runde zu Runde, überholte zwei Fahrerinnen und beendete das Rennen wiederum über die volle Distanz. Kleine Schritte vorwärts, klar, aber es geht vorwärts. Morgen werde ich Weltmeisterin, versprochen.

Von heimischen Staubfusseln und italienischen Flowtrails

Bis Mitte Februar umfasste mein Radtraining hauptsächlich einige Ausflüge auf die Freilaufrolle, bei welchen ich mich mühsam durch die dahinschleichenden Minuten kämpfte und versuchte dem Gras beim Wachsen zuzuschauen. Nach diesen wenig reizvollen Episoden war ich umso erfreuter, als ich meine Räder verladen und mich auf die kurze Reise in das Fahrradmekka Finale Ligure (IT) aufmachen konnte. Um mein System nicht gleich zu überfordern, starteten wir die erste Ausfahrt auf dem Rennrad und zitterten uns durch die ersten Kurven (auf der Rolle gibt es bekanntermassen ja keine Richtungsänderungen, ausser man verfolgt den freien Fall eines Staubfussels von der Decke, wird davon magisch angezogen, erreicht dadurch die Aussenbegrenzung der Rolle und versucht sich mit professionellen, abrupten und todesmutigen Schlenkern gleichzeitig auf dem Rad und der Rolle zu halten). Nachdem die Angewöhnung an die Aussenwelt unfallfrei geklappt hatte, wagten wir uns auf die zahlreichen Trails von Finale Ligure und Umgebung um die ersten Bikeversuche seit ungefähr drei Monaten zu unternehmen. Meine Körperspannung war unschlagbar. Ich hielt mich so gnadenlos am Lenker fest, dass ich diesen ohne weiteres hätte verbiegen können. Mein Gesichtsausdruck war eine perfekte Versteinerung und hätte jeder Marmorstatue den Rang abgelaufen. Meine vor Dauerschreck weit aufgerissenen Augen konnte ich glücklicherweise hinter dunklen Brillengläsern verbergen. Immer mit dem beruhigenden Wissen, dass es meinem Trainingskollegen nicht viel anders erging. Da wir ja bereits alte Hasen in diesem Metier sind, dauerte dieser Zustand nur die ersten Trainings an. Danach wechselte ich von der Marmorstatue zu Spaghetti al dente und manövrierte mein Rad deutlich schneller durch die ligurischen Wälder. Auch auf dem schmalbereifteren Rennrad ging es nach den anfänglichen Kurvenwackler schnell voran. Als Abschluss stand die Königsetappe nach Sanremo auf dem Programm. Da wir gerne an Herausforderungen wachsen, kam wie auf Bestellung genau an diesem Tag Wind der Orkanstufe 20 auf. In Froomeverdächtiger Manier pedalierten wir unbeeindruckt gebeugten Hauptes durch die Gegend und pflügten uns den Weg in Richtung Hafenstadt. In Begleitung der unzähligen einheimischen Radfahrer mit ihren Profimaschinen fanden wir auch unbeschadet den Heimweg wieder.

Die Woche war auf allen Ebenen ein voller Erfolg für mich und der Abschied nach neun Tagen von der italienischen Küstenstadt eher schmerzlich. Voller Zuversicht bin ich einem erfolgreichen Saisonstart einen Schritt näher gekommen. Ab dem 11. März beginne ich mit den ersten Vorbereitungsrennen auf der Strasse. Da Kurvenfahren nun ja kein Problem mehr darstellen sollte, sehe ich diesen Trainingsrennen positiv entgegen.

 

 

reaktion.ch als Medical Partner

Ab kommender Saison kann ich mich mit reaktion.ch in Person von Stefanie Stücheli auf kompetente und innovative Unterstützung verlassen, was bei meinem Fahrstil bekanntermassen von grossem Vorteil ist. Ich freue mich auf die neue Zusammenarbeit und einige interessante gemeinsame Projekte. Mehr zu reaktion.ch gibt es unter der Sparte Sponsoren oder direkt über reaktion.ch.

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Für das Rennen in Seon war die Taktik klar, bedächtig starten, nicht mitziehen und im Verlauf des Rennens versuchen das Tempo zu steigern. Der erste Teil der Vorgabe klingt einfach, ist für mich als Rennfahrerin aber nur schwer umsetzbar, da ich Gegnerinnen normalerweise nur ziehen lasse, wenn meine Beine einen schnelleren Dienst verweigern und sich farbige Sternchen vor meinen Augen abzeichnen. Ich reihte mich nach dem Start als Dritte ein, liess dann aber die Lücke aufreissen und mich von weiteren Fahrerinnen überholen. Die erste Schlüsselstelle, eine Wiesenabfahrt mit anschliessender links Kurve (aufgrund der anhaltenden Sintflut zu einer braunen Schlammrutsche mit Freizeitparkniveau umgewandelt), ging ich mit viel Vertrauen an, zumindest solange, bis sich eine der Fahrerinnen vor mir hinlegte und ich mangels Alternativen die Passage ebenfalls souverän und grazil rückwärts auf dem Hosenboden bewältigte. Meine Konzentration galt dabei dem Mitschleifen meines Bikes, damit ich nicht noch weiteres Spektakel in Form von „such dein Rad“ liefern würde. Für den Moment war dies neben den gefühlten 2 Kilo Dreck in meinem Mund und den Augen die einzige Aufregung. Die ersten drei Runden absolvierte ich wie in Trance, ich bin ziemlich sicher, dass ich diese Runden gefahren bin, weiss aber nicht mehr viel davon. Das einzige was mir davon blieb waren die Zuschauenden, welche in besagter Schlüsselpassage auffällig zahlreich erschienen waren und uns bereits beim Einstieg mit einem breiten Grinsen empfingen, im Wissen darüber, dass jede_r Fahrer_in die nächste nicht ganz freiwillige, dennoch sehr ästhetische Showeinlage bieten könnte. Auf die Konkurrentinnen verlor ich weiter an Boden, bis ich in Runde vier vorn sieben doch noch meinen Rennrhythmus fand und nicht mehr nur dahingondelte, sondern der Sache etwas mehr Dynamik und Geschwindigkeit verleihen konnte. Das zeigte sich einerseits in meiner Freude wieder im Renngeschehen dabei zu sein, andererseits in dem sich verringernden Abstand zu zwei der vor mir fahrenden Rennfahrerinnen. Nach sieben kraftzehrenden Runden kam ich zufrieden mit meiner Leistung im Ziel an. Am Resultat und meiner Form muss noch einiges an Arbeit investiert werden, ich bin da kämpferisch-optimistisch gestimmt. Nächstes Wochenende erhalte ich die nächste Trainingsmöglichkeit am hochklassigen Rennen in Gränichen.

Ausscheidungsrennen in Hochdorf

In Hochdorf starteten wir am Sonntag zum zweitletzten Cross Country Rennen der Saison. 200 Meter nach dem Start folgte ich einer Eingebung (ob diese klug oder dumm war lässt sich nur schwer erörtern) und lancierte einen Sprint. Das Feld wurde auseinander gezogen und ich führte während einer halben Runde.  Mit einem unwiderstehlichen Antritt von Aline Seitz, welchem weder ich noch eine andere Fahrerin folgen konnte war die Diskussion um den Sieg mehr oder weniger gelaufen. Nachdem mein kleiner Vorsprung auf die Drittplatzierte aufgrund eines unfreiwilligen Zusammentreffens zwischen meinem Fuss und einem Baumstrunk (der Baumstrunk stand in meiner etwas optimistisch gewählten Ideallinie) dahin war, nahm ich die zweite Runde mit drei weiteren Verfolgerinnen in Angriff und leistete wiederum viel Führungsarbeit. Die erneute Attacke in derselben Steigung wie zuvor, dieses Mal durch die Deutsche Lena Wehrle, konnte ich parieren, die Gruppe blieb somit zusammen. Ich hatte in den ersten beiden Runden sehr viel Energie auf der Strecke liegen gelassen, was ich ab der vierten von sechs Runden zu spüren bekam. Immer wieder erfolgten Angriffe von Lena, unsere Gruppe war in der Zwischenzeit auf 3 Fahrerinnen geschrumpft und in der zweitletzten Runde schaffte auch ich es nicht mehr ihr zu folgen. Eine Runde vor Schluss hatte ich plötzlich wieder die ebenfalls davongezogene Franziska Brun vor mir. Ich hängte mich an ihr Hinterrad und wartete die ominöse mehrfach erwähnte Steigung ab, welche mir bereits zweimal zum Verhängnis geworden war. Dort ging ich aus dem Sattel, mobilisierte alle verbliebenen Kräfte zu etwas ähnlichem wie einem Sprint (nach knapp 20 Rennkilometer sah das nicht mehr wie bei einem jungen Reh aus) und schaffte es tatsächlich eine Lücke aufzureissen. In den technischen Passagen vergrösserte ich den Abstand noch ein klein wenig und konnte so den dritten Rang ins Ziel fahren. Ich habe versucht meinen ersten Sieg einzufahren, habe alles gegeben aber leider ging die Rechnung nicht wie gewünscht auf. Nächstes Rennen, nächste Chance!

Erst geht es aber für den Nationalparkmarathon ins Engadin. Das Rennen über 137 Kilometer ist die Hauptprobe für das im September stattfindenden Swiss Epic.