Wie die Zeit vergeht

Gerade einmal zu neunt standen wir am Sonntag auf der Startlinie in Hägglingen um uns über sechs Runden zu messen. Mit dem Wissen, dass ich die restlichen Fahrerinnen altersmässig um zehn bis elf Lenze übertrumpfte, liessen nicht gerade das Körpergefühl eines jungen, über die Wiese hüpfenden Rehs, in mir aufkommen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken des grossen Erfahrungsvorsprungs, welchen ich sogleich in der Startschlaufe wirken liess. Wie zu erwarten übernahm Nadia Grod das Tempodiktat während ich die Juniorinnen an mir vorbeiziehen liess, mein Tempo fuhr und mich nach kleinen Positionskämpfen an sechster Stelle einreihte. Normalerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt eine kleine Sinnkrise mit der Auswirkung einer Meteoritenkollision gehabt und mich mit der Absetzung per Kamel in die Wüste Gobi beschäftigt. Da diese Chinesische Mauer alias mentale Hemmniss nun aber endgültig weggebaggert wurde, nahm ich nun die vier Fahrerinnen vor mir ins Visier und trat in die Pedale. Mit der Gelassenheit und Erfahrung welche Gandalf dem Grauen Konkurrenz gemacht hätte, war ich nach meinen Beobachtungen ziemlich sicher, dass das angeschlagene Tempo der Juniorinnen nicht über die gesamte Renndistanz so durchgezogen werden konnte. Bereits auf Runde eins holte ich die erste Fahrerin ein, pushte den vermaledeiten Kiesaufstieg hinauf, den Blick auf die vor mir fahrende Dreiergruppe. Ein besonders engagierter und kreativer Unterstützer stand in besagtem Aufstieg, schrie sich die Seele aus dem Leib und dröhnte mit seiner mitgebrachten Motorsäge was das Zeug hielt. Was in der Kreativität leider unterging war, dass wir mit komplett offenen Bronchien diesen Mount Everest würdigen Hügel hochächzten und die Organisatoren von Bikerennen seit Jahren auf elektrische Motorräder als Spitzenfahrzeuge setzen um die Lungen der Athletinnen und Athleten nicht zu verpesten…merkt jemand das Problem? Bewundernswerter Einsatz, danke, mit leichtem Problemfaktor für die Lungenliga.

Nichtsdestotrotz hielt ich mein Tempo konstant hoch, kämpfte (inzwischen stand die Motorsäge zum Glück in der Abfahrt da mir im Sprint um Rang zwei die Lunge beinahe aufs Vorderrad hing) und musste mich am Schluss nur von der souverän fahrenden Nadia geschlagen geben. Ein Hoch auf meinen konstanten Dieselmotor.

 

Ça roule

An den vergangenen zwei Wochenenden absolvierte ich zwei Rennen. Erst das Argovia Cup in Langendorf, danach das hochklassige Proffix Swiss Bike Cup Rennen in Basel. Dazwischen wurde nochmals ein wichtiger Block „Kopfarbeit“ eingeschoben um endlich meine Blockade, an die ich mich zwar gewöhnt, aber dennoch eine sehr lästige Untermieterin darstellt, loszuwerden.

In Langendorf standen klingende Namen wie Irina Kalentjeva oder Lisi Osl am Start – war ja schliesslich auch ein Argovia Cup – was ich jedoch in Profimanier auszublenden vermochte. Bestand doch mein Ziel einzig und allein darin, das Durchziehen der ganzen Renndistanz in meinem Tempo. Mein Tempo unterschied sich ein klein wenig von der Spitze, war in meinen Augen dennoch beachtlich und wurde nur durch drei Stürze gepaart mit zweifachem Kette wieder einlegen gebremst. Trotz gelegentlicher unfreiwilliger Boxenstopps beendete ich in diese doch eher lerngeprägte Aufbausaison mein zweites Rennen über die gesamte Renndistanz.

Motiviert von dem Geschafften stand ich vergangenen Sonntag in Basel neben einer Auswahl der weltbesten Fahrerinnen (wieder einmal!) an der Startlinie. Nach einem verhaltenen Start steigerte ich mich von Runde zu Runde, überholte zwei Fahrerinnen und beendete das Rennen wiederum über die volle Distanz. Kleine Schritte vorwärts, klar, aber es geht vorwärts. Morgen werde ich Weltmeisterin, versprochen.