Marathonmässige Kurzausflüge

Vor zwei Wochen stand die Eiger Bike Challenge in Grindelwald an. Zwischen mir und der Ziellinie lagen lächerliche 88 Kilometer und 3`900 Höhenmeter. Entspannt und in Gedanken noch im Bett eingekuschelt, stand ich bei doch eher frostigen Temperaturen in der Morgendämmerung im Startblock. Nach dem Startschuss trieb ich meine Beine an vorwärts zu machen und den ersten langen Anstieg auf die Grosse Scheidegg in Angriff zu nehmen. Nach 500 Rennmetern kam es zu einer drastischen gedanklichen Richtungsänderung mit Folgen. Ich pedalte vor mich hin im sich selbst überschätzenden Fahrerpulk und dann kam dieser Gedanke, bohrte sich wie eine heisse Nadel in meine Hirnwindungen und breitete sich unaufhaltsam aus: „Ich hab hier null Komma gar kein Spass und weiss nicht was ich hier mache“. Wie man sich vorstellen kann, sind solche Gedanken äusserst förderlich für Topleistungen. Als vor mir ein Fahrer sein Bike an den Fels lehnte, sich ins Gras hinaussetzte, mit stumpfem Blick einen Baum fixierte und mit grosser Wahrscheinlichkeit die Unsinnigkeit seines Vorhabens aus allen Winkeln reflektierte, hätte ich ihm am liebsten Gesellschaft geleistet. Allerdings war mir das Gras zu nass und meine treuen Seelen warteten auf dem First auf meine Vorbeifahrt. Daher fluchte ich mich weiter den Berg hoch. Am First fand mein Ausflug ein wohlüberlegtes, überzeugtes und von Tränen begleitetes Ende.

Ich machte mir meine Gedanken, trainierte fleissig und fand mich am vergangenen Sonntag an der wetterbedingt, drastisch gekürzten Startlinie des Nationalpark Marathon in S-Chanf. Wieder war keine Spur von Nervosität zu spüren, wieder war es kühl und wieder wurde losgesprintet. Von der Startlinie bis zum etwas entfernten Start der Zeitmessung war ich, wie die meisten um mich herum, bereits komplett blau. Das macht auch komplett Sinn und ich strampelte was meine Beine hergaben. Leider war die Hälfte der 47 Kilometer auf Kiesabfahrten zu bewältigen. Und nicht die lustigen Kiesabfahrten, bei welchen man oben die Bremsen loslässt und im leichten

Slide die Kurven runterschlänzt. Nein, gerade nur leicht abfallende Wege, auf welchen Mann pedalieren musste ohne Ende. Das an sich wäre ok, blöd ist nur, wenn man als Einzige ein kleines Kettenblatt montiert hat, weil nur im Besitz eines einzigen Kettenblattes, und sich daher beinahe die Beine aus den Hüften kurbelt ohne die Chance nur annähernd mit den Anderen mithalten zu können. Meine Lösung war simpel, wenn auch zeittechnisch wenig effizient. Ich fuhr einfach langsamer, dadurch wurde ich den Eisengeschmack in meinem Mund los und konnte gleichzeitig meine Gelenkintegrität wahren. Spass machte es auch hier nicht wirklich. Mein Ziel war das Ziel und das kam glücklicherweise immer näher. Mein Ego wurde geweckt, als eine Fahrerin an mir vorbeifuhr, die ihren persönlichen Groupie, Motivator und Wasserträge in einer Person und in Form ihres Freundes dabeihatte. Es wurde geschrien, angefeuert und im zwei Minutentakt versichert, was sie für eine Granate sei und jetzt einfach an mir dranbleiben soll. Das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen, knallte alle meine Körner im letzten Aufstieg raus und nahm die Abfahrt als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Einen kurzen Schreckmoment erlebte ich nur, als ich in all dem Kies plötzlich doch noch eine einzelne Baumwurzel antraf. Glücklicherweise wurde sie orange markiert, dass man nicht aus Versehen über dieses gewaltige Hindernis stolperte. Mutig setzte ich meinen Weg fort und erreichte nach 111 Minuten das Ziel in Scuol… vor der Granate notabene.

Im September freue ich mich auf das Bike mit dem grossen Federweg, mit welchem ich noch zwei Enduro-Rennen bestreiten werde. Auf meine Zukunft blicke ich mit Freude und Spannung, wohin es mich verschlägt ist komplett offen. Es werden sicher 2 Räder beteiligt sein.

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Puuuuh….!

Nach einer 5-wöchigen Rennpause ging es mit vielen gesammelten Kilometern in den Beinen vom 2.-4. August für einen 3-tägigen Wettkampf in das österreichische Ischgl um den aktuellen Formstand zu testen.

Die erste von drei Etappe startete am Donnerstag um 21 Uhr und führte bei Flutlicht von Ischgl über 7 Kilometer und 1000 Höhenmeter hoch in die Idalpe. Bereits bei der Startaufstellung konnte ich den Preis zur „Schälle des Tages“ an einen sogenannten Sportfahrer vergeben. Während die Frauen Elite hinter den Elite Männern ihre Startplätze bezogen, wurden hinter uns die Sportfahrer aufgereiht. Nur schon die Anmassung, dass man Hobbyfahrer hinter den Frauen aufreiht schien in seinem Universum ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, versuchte er doch sogleich, sich an den Elitefahrerinnen vorbei zu drängeln um mit seinesgleichen loskeuchen zu können. Ein aufmerksamer Offizieller pfiff den Hochwohlgeborenen sogleich zurück und als dieser erfuhr, dass er nicht nur hinter uns, sondern erst mit „einer Minute Rückstand auf die Weiber??!“ prachtvoll über die Strecke gleiten durfte, vernahm ich für die letzten 2 Minuten vor dem Startsignal nur noch sein Gefluche im Nacken. Meine Empfehlung an dieser Stelle: lös doch einfach eine Lizenz du Flachwasserknallfrosch, hör auf zu heulen und nerv uns nicht! Der herbeigesehnte Startschuss kam und die Spitzenfahrerinnen legten gleich los als gäbe es kein Morgen mehr. Ich hatte immer noch nicht ganz verdaut, dass ich jetzt „nur“ hochfahren sollte ohne jeglichen Abfahrtsmeter und ging das Ganze sehr kontrolliert zuhinterst im Feld an. In der Mittelstation, nach einer unglaublichen Fahrzeit von ca. 20 Minuten gaben bereits diverse Fahrer ihr Nachtessen der Umwelt geräuschvoll zurück. Das nenn ich effiziente Selbstzerstörung. Ich pedalte in meinem Tempo weiter und holte langsam Fahrerin um Fahrerin ein. Zufrieden erreichte ich nach 56 Minuten als 11 Platzierte meiner Kategorie das Ziel, packte mich warm ein und setzte mich in die Gondel für den Rückweg…eine verkehrte Welt, selbst mein Rad war völlig verwirrt ab dem ausbleibenden Downhill.

13 Stunden vor dem Start zum Marathon am Samstagmorgen, fand am Freitag um 19 Uhr das Shortrace über 9 Rennkilometer und 300 Höhenmeter statt. Das einzige technische Highlight, 2 wahnsinns Kieskurven, liessen mein Herz nicht gerade höherschlagen. Die Taktik war klar: irgendwie das Rennen durchbringen ohne wirklich Kraft zu verschiessen so kurz vor dem grössten Brocken. Wieder wurde von Beginn her richtig Tempo gebolzt. Für 200 Meter setzte ich mich in der Spitzengruppe fest…danach war der Spass vorbei und ich konnte/wollte das Tempo nicht mitgehen. Für einen kurzen Moment schloss ich mich mit einer Mitstreiterin zusammen, als diese sich aber in einer der beiden Kieskurven beinahe vor mich hinlegte – Spektakel sei schliesslich alles – hielt ich Sicherheitsabstand. Enttäuscht über diesen 13. Zwischenrang machten wir uns auf zu einem späten Nachtessen um während einer kurzen Nacht wieder Kräfte tanken zu können.

Der abschliessende Marathon hatte es in sich. Auf uns warteten 3700 Höhenmeter verteilt auf 75 Kilometer. Wieder wurde das Rennen schnell angegangen obwohl die Beine nicht mehr so rund liefen. Ich wollte auf den ersten 30 Kilometer ein bedächtiges Tempo angehen, folgten doch danach 2700 Höhenmeter auf lediglich 45 Kilometern, was definitiv nichts mit gemütlicher Kaffefahrt zu tun hat. Auf diesen 30 schnellen Anfangskilometern machte ich wieder einmal die Bekanntschaft mit der Spezies „übermotivierter Einzeller auf 2 Rädern“. Während ich konzentriert und völlig im Frieden mit mir selbst durch die Weltgeschichte dahinschoss (wenn schon einmal eine Abfahrt ansteht), näherte sich von hinten das Chaosschwadron Hintertupfigen. Hier ging es offenbar um den Weltmeistertitel der Ränge 458 und 465. An dieser Stelle eine weitere Bemerkung einer doch eher erfahrenen Rennfahrerin: FRAUEN KÖNNEN SEHR SCHNELL BERGAB FAHREN, INSBESONDERE WENN KEINE SENILEN BARTGEIER IM WEG STEHEN! Nachdem mich 2 dieser Einzeller aufgrund ihrer genialen und vorhersehbaren Kurventechnik beinahe ins Unterholz befördert und aufs herrlichste beschimpft hatten, wie gesagt es ging um den Weltmeistertitel, zogen sie von dannen (Anmerkung der Redaktion: sie beendeten das Rennen nach 28 Kilometern). Weit hinten im Elitefeld nahm ich die zweite Streckenhälfte in Angriff und begann mit dem Einholen meiner Konkurrentinnen. Die erste Steigung nahm kein Ende und machte auch keine Anstalten etwas flacher zu werden. Auf knapp 2700 Meter wurde die Luft langsam dünn, meine roten Blutkörperchen vollführten einen Hula hoop-Wettbewerb und um mich herum verkam das Ganze zu einem Wanderevent. Mein Held des Tages war der „Siebensiech“ welcher die Abkürzung des Jahrhunderts fand. Während wir uns alle an den Wegverlauf einer weitgreifenden Kurve hielten, wählte er den Trampelpfad, welcher mit einer Steigung von geschätzten 35 Prozent gerade hoch führte. Auf dem Weg gebar er wahrscheinlich seinen Darm weil er so in die Pedalen steigen musste um hoch zu kommen, ABER: Abkürzung gesucht – und gefunden! Einer der wandernden Rennfahrer vor mir beschloss kurzfristig einen Anruf zu tätigen. Mein holländisch ist zu schlecht und mein Blut war zu weit von meinem Hirn entfernt um erörtern zu können, ob er seiner Mutter anrief um mentalen Zuspruch zu erhalten oder spontan noch ein Aktientransfer vollführt werden musste.

Nach der ersten Tortur folgte eine anspruchsvolle und unterhaltsame Abfahrt, in welcher sich bereits nach 2 Kilometern mein Bidon verabschiedete, aber wer braucht bei 35 Grad schon Wasser. Mit neuer Verpflegung nahm ich den zweiten grossen Anstieg ab Samnaun her in Angriff. Während über mir dutzende Endurofahrer in den Gondeln den Weg bestritten, wollte ich mich inzwischen nur noch in Fötusstellung auf den Boden legen und meinen schmerzenden Beinen Folge leisten. Umdrehung für Umdrehung kämpfte ich mich auf den höchsten Punkt der Strecke hoch, um nach einer kürzeren Abfahrt nochmals einige Kilometer hochgejagt zu werden. Ich verfluchte zum x-ten Mal die Streckenplaner und mich selbst für diesen Höllenritt und nahm nach einer intensivst, gefühlten Ewigkeit die letzte Abfahrt unter die Räder. Geschont wurden wir auch hier nicht. Nach den technischen Passagen folgten für den grossen Spass zum Abschluss noch 10 Minuten Presslufthammer-Feeling, bevor ich nach 6 Stunden 19 abgekämpft auf dem 8 Schlussrang das Ziel erreichte. Dies entsprach ebenfalls dem 8. Gesamtrang in diesem internationalen Feld und weitere Erfahrungen im Marathonbereich.

Ready to rumble kommenden Sonntag in Grindelwald am Eigerbike Marathon.