Von „sone Mist!“ bis „wie bini uf die Idee cho?!“

In den letzten 2 Wochen fanden 2 Wettkämpfe statt. Sonntag vor einer Woche stand ich in Gränichen (AG) am Start für das Cross Country Rennen, überzeugt davon, dass ich an diesem Tag endlich richtig loslegen würde. Ich hatte schliesslich während 4 Wochen richtig gut trainiert, riesige Fortschritte gemacht und fühlte mich jeder Herausforderung gewachsen. Zudem hatte mein Körper nun 2 Monate Zeit gehabt, sich von dem proteinlos-Schöckchen zu erholen, das musste reichen. Schliesslich bin ich eine „Siebesiechin“. Ich stellte mich wie gewohnt in den hintersten Reihen an die Startlinie und hätte ab diesem Moment bereits wieder umkehren können. Was ab da passierte, war das Muster, welches ich seit 1.5 Jahren leider zu gut kannte und sich in meine Hirnwindungen eingebrannt hatte. Startschuss, Sprint in den langen Starthang und ich konnte mich damit beschäftigen, von allen Fahrerinnen die Rückenansicht der Trikots auswendig zu lernen. In der ersten Abfahrt hatte ich noch etwas ausgiebiger Zeit für das Trikotstudium, da in den hinteren Plätzen zwecks Auskostung jedes Trailmeters mit gefühlten 5 Stundenkilometer bergab geholpert wurde und ein Überholen schlicht unmöglich war. Bergauf find ich Langsamfahren mehr als völlig ok, bergab grenzt dies an ein Verbrechen, besonders wenn die Strecke grundsätzlich einen grossen Spassfaktor hergab. Ich nutzte die wenigen breiten Passagen um mich in der ersten Runde nach vorne zu arbeiten, kam aber nicht weit, da mein Motor leider nicht in dem Masse lief, in welchem ich mir das vorstellte. Da ich ansonsten nicht viel zu tun hatte, bekam ich nach 20 Minuten Hunger und überlegte mir, was für mich kulinarisch heute noch anstehen würde. Wütend auf mich, gefrustet und nicht mehr ganz so hungrig, stieg ich nach knapp 2 Runden aus dem Rennen aus und hinterfragte ziemlich alles was mir über den Weg lief. Die Pommes halfen leider ebenfalls keinen Meter weiter. Was tun?

Kurzfristige Lösung à la Céline: das Le Raid Evolénard (VS) oder in anderen Worten ausgedrückt: wie schaff ich es in wenigen Stunden, dass mir sogar die Haare schmerzen. Der Bikemarathon in Evolène war eine nette Runde von 62 Kilometern und 3000 Höhenmeter in den Walliser Bergen. Sonntagmorgen pünktlich um 9 Uhr wurden die lizenzierten Marathonfahrerinnen gemeinsam mit mir als Feriengast auf die Strecke geschickt. Motiviert pedalierte ich in den ersten Berg, planlos was Streckenführung und Tempo betraf. Ich klemmte mich an das Hinterrad der Belgischen Meisterin, da mir das Trikot gefiel (ich bin hier ja spezialisiert), musste aber nach der Hälfte dieses ersten Anstieges einsehen, dass ihr Tempo etwas optimistisch war für mich. Nach dem ersten „Bergpreis“ warf ich die grossen Gänge ein, senkte mein Sattel auf das Minimum, beugte mich voller Vorfreude auf die Abfahrt in Angriffsstellung tief über den Lenker…und begann den Trail hinunter zu laufen. Die fröhlichen Velowanderer vor mir verhinderten ein Fahren und so reihte ich mich fluchend brav in die Wanderschlange ein. Sobald der Weg etwas breiter wurde, powerte ich los und machte mich an das Überholen der wandelnden Bremsklötze. Erfahrene Marathonfahrerinnen bemerken hier bereits den ersten Fehler. Motiviert wie ich war, verschoss ich meine Körner gleich im Dutzend. Das sollte sich später noch rächen. Die 2 der 4 langen Anstiege brachte ich ebenfalls gut hinter mich, wenn man von meiner kleinen Flickaktion absah, welche ich einlegen musste, da mein Rad beschlossen hatte auseinander zu fallen. Solche Details brachten mich nicht aus dem Gleichgewicht, auch wenn alle zuvor mühsam überholten Teilnehmenden wieder an mir vorbeizogen. Mit wieder angezogenen Schrauben und deutlich weniger schwammigem Fahrgefühl flog ich die zweite Abfahrt hinunter ins Zielgelände um die zweite Etappe in Angriff zu nehmen. Die Hälfte war geschafft und ich eigentlich mehr als bedient mit dem absolvierten Programm. Glücklicherweise wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was gleich auf mich zukommen würde für die nächsten 2 Stunden. Es wurde steil! Und nicht das „puh, jetzt muss ich runter schalten“-steil sondern das „verdammt, wer pflanzt hier noch einen Weg hin und warum habe ich nicht mehr Gänge“-steil. An Fluchen war nicht mehr zu denken, dafür fehlte mir schlicht der Sauerstoff. Es nahm kein Ende. Ich passierte immer mehr Fahrer, welche vor lauter Krämpfe oder aus purer Erschöpfung am Rand standen oder nur noch zu Fuss unterwegs waren. Ich konnte ihnen nachfühlen, kämpfte mich aber in konstantem Tempo immer weiter hoch. Die letzte Abfahrt von 2`500 M.ü.M. hinunter ins Ziel machte nochmals richtig Spass, konnte aber nur noch halbherzig genossen werden, da neben den Beinen auch der Rücken, die Arme, die Hände und ziemlich sicher auch die Augen schmerzten. Nach 5 Stunden überquerte ich komplett ausgepowert, dreckig und zufrieden mit mir und der Welt die Ziellinie in Les Haudères. Marathon und ich sind nach wie vor keine Freunde, aber meine Zukunft ist offen. Wer weiss in welcher Disziplin ich lande.

Für`s erste gebe ich meinem Körper vielleicht doch etwas mehr Zeit für die Genesung von meinem kulinarischen Ausflug, werde in 2 Wochen einen weiteren Marathon in Angriff nehmen und weiter an meinen physischen und mentalen Fähigkeiten arbeiten.