Von heimischen Staubfusseln und italienischen Flowtrails

Bis Mitte Februar umfasste mein Radtraining hauptsächlich einige Ausflüge auf die Freilaufrolle, bei welchen ich mich mühsam durch die dahinschleichenden Minuten kämpfte und versuchte dem Gras beim Wachsen zuzuschauen. Nach diesen wenig reizvollen Episoden war ich umso erfreuter, als ich meine Räder verladen und mich auf die kurze Reise in das Fahrradmekka Finale Ligure (IT) aufmachen konnte. Um mein System nicht gleich zu überfordern, starteten wir die erste Ausfahrt auf dem Rennrad und zitterten uns durch die ersten Kurven (auf der Rolle gibt es bekanntermassen ja keine Richtungsänderungen, ausser man verfolgt den freien Fall eines Staubfussels von der Decke, wird davon magisch angezogen, erreicht dadurch die Aussenbegrenzung der Rolle und versucht sich mit professionellen, abrupten und todesmutigen Schlenkern gleichzeitig auf dem Rad und der Rolle zu halten). Nachdem die Angewöhnung an die Aussenwelt unfallfrei geklappt hatte, wagten wir uns auf die zahlreichen Trails von Finale Ligure und Umgebung um die ersten Bikeversuche seit ungefähr drei Monaten zu unternehmen. Meine Körperspannung war unschlagbar. Ich hielt mich so gnadenlos am Lenker fest, dass ich diesen ohne weiteres hätte verbiegen können. Mein Gesichtsausdruck war eine perfekte Versteinerung und hätte jeder Marmorstatue den Rang abgelaufen. Meine vor Dauerschreck weit aufgerissenen Augen konnte ich glücklicherweise hinter dunklen Brillengläsern verbergen. Immer mit dem beruhigenden Wissen, dass es meinem Trainingskollegen nicht viel anders erging. Da wir ja bereits alte Hasen in diesem Metier sind, dauerte dieser Zustand nur die ersten Trainings an. Danach wechselte ich von der Marmorstatue zu Spaghetti al dente und manövrierte mein Rad deutlich schneller durch die ligurischen Wälder. Auch auf dem schmalbereifteren Rennrad ging es nach den anfänglichen Kurvenwackler schnell voran. Als Abschluss stand die Königsetappe nach Sanremo auf dem Programm. Da wir gerne an Herausforderungen wachsen, kam wie auf Bestellung genau an diesem Tag Wind der Orkanstufe 20 auf. In Froomeverdächtiger Manier pedalierten wir unbeeindruckt gebeugten Hauptes durch die Gegend und pflügten uns den Weg in Richtung Hafenstadt. In Begleitung der unzähligen einheimischen Radfahrer mit ihren Profimaschinen fanden wir auch unbeschadet den Heimweg wieder.

Die Woche war auf allen Ebenen ein voller Erfolg für mich und der Abschied nach neun Tagen von der italienischen Küstenstadt eher schmerzlich. Voller Zuversicht bin ich einem erfolgreichen Saisonstart einen Schritt näher gekommen. Ab dem 11. März beginne ich mit den ersten Vorbereitungsrennen auf der Strasse. Da Kurvenfahren nun ja kein Problem mehr darstellen sollte, sehe ich diesen Trainingsrennen positiv entgegen.